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Kundgebung zum dritten Jahrestag nach dem Giftgas-Massaker in Syrien , Adnan Nakdali , 23.08.2016

Aachen. Am Samstag, dem 20.08.2016 fand in Aachen vor dem Rathaus eine Kundgebung statt, unter der Überschrift: „Drei Jahre nach Assads Chemie Massaker in Syrien. Und die Welt schaut weiter zu!“ Die Teilnehmer der Kundgebung fanden sich zwischen 17 – 19 Uhr auf dem Aachener Markt zusammen. Eingeladen hatte eine Gruppe syrisch stämmiger Aktivisten unter dem Namen „Aachener Syrer“.

Mehrere Gäste hielten kurze Reden:

Nach den Empfangsworten von Dr. Ayichah Hawari, die die Moderation der Kundgebung führte, übernahm Rima Nassri, Aachenerin mit syrischen Wurzeln, das Wort und schilderte den Ablauf des schrecklichen Massakers, welches sich in der Nacht zum 21.08.2013 abspielte. Das Regime in Syrien habe die von US- Präsident Barack Obama gezeichnete rote Linie überschritten. "Obama hat entschieden, dass die rote Linie beim Einsatz von C- Waffen liegt. Wir sagen jedoch: Die rote Linie fängt da an, wo das erste Menschenleben beendet wird."

Die Anwendng von C- Waffen ist nun vorgefallen. Hunderte Menschen, allen voran Kinder und Frauen, waren Opfer dieses Giftgas- Angriffes. Nun war Obama an der Reihe zu reagieren und das Assad- Regime zu bestrafen. Daraus wurde aber nichts. Man habe ein Auge zugedrückt und ließe es zu, dass Assad weiterhin sein eigenes Volk bekämpfe und dabei die schrecklichsten Waffen anwende. Die Chemikalien seien zwar dem Regime abgenommen worden, mehr sei aber nicht unternommen worden, vielmehr habe man es vergessen, "aber wir haben das Ereignis nicht vergessen! Wir sind heute hier und wir werden weder den C- Angriff, also den Chemiewaffenangriff vergessen, noch die Angriffe, die täglich in Syrien stattfinden!", so Nassri.

Rima Nassri brachte zur Veranschaulichung einige Bilder mit (siehe unten), die einige Augenblicke des schrecklichen Massakers dokumentieren. Auf einem Foto sind die Leichen kleiner Kinder zu sehen, die nummeriert wurden „um feststellen zu können, wie viele Tote es gegeben hat bei diesem Chemieangriff".

Seit dem Beginn der syrischen Revolution seien mehrere hunderttausend Menschen getötet worden. Diese Toten seien aber keine Zahlen, vielmehr stecke hinter jeder Zahl eine Menschenseele, ein Schicksal!

Die Rednerin rief dazu auf, von der Geschichte der Menschheit zu lernen. Sie rief dazu auf der Ungerechtigkeit entgegenzuwirken, selbst wenn man sich zu schwach sieht, denn jede Veränderung fange mit einem Gedanken an. Um die Blutung in Syrien zu stoppen, müsse man die Ursachen bekämpfen.

"Lasst uns zusammen die Stimme Deutschlands und Europas werden gegen das Leiden und den Krieg. Lasst uns die Menschlickeit in uns und unser Gewissen neu erwecken. Aufdass die Menschen in Syrien wieder ein normales friedvolles Leben führen können und sich von der Gewalt und dem Leid erholen können. Aufdass sie, genau wie wir hier in Deutschland, ein Leben in Freiheit leben können. Aufdass der Tag kommt an dem sich die Kinder über ihre Hausaufgaben beschweren können und nicht darüber, dass sie nicht in die Schule gehen können. Aufdass der Tag kommt an dem die Menschen sich Sorgen über ihre Telefonrechnungen machen, nicht darüber, dass die Brotpreise steigen oder dass sie kein Strom haben und kein Wassser. Aufdass es nicht ihre größte Sorge ist den nächsten Tag zu überleben. Aufdass der arabische und syrische Yasmin neu erblühen kann. Wir sind eine Welt und wir halten zusammen! Danke sehr." Mit diesen Worten beendete Rima Nassri ihren Beitrag.

Anschließend trug Dr. Ayichah Hawari ein Papier mit dem Titel: "Die Beschreibung einer Nacht in der Nähe von Aleppo" vor. Verfasst wurde es von Dr. Adnan Wahhoud, der regelmäßig die von der Opposition befreiten Gebiete in Syrien besucht. In diesem Schreiben beschreibt Dr. Wahhoud die Eindrücke einer schwierigen Nacht in den Vororten von Aleppo, als eine Bombe einschlug. Es sei zwar nicht ungewöhnlich, dass diese Gebiete durch das Assad- Regime oder durch die russischen Kampfjets bombardiert werden, jedoch habe die russische Armee diesmal Waffen eingesetzt, die man bis zu diesem Zeitpunkt in Syrien nicht gesehen habe.

Als nächstes wurde Dr. Adnan Wahhoud das Wort übergeben. Dr. Wahhoud stammt aus Syrien, lebte über Jahre in Aachen und wohnt zurzeit in Lindau am Bodensee. Seine derzeitige Hauptbeschäftigung ist die Unterstützung der syrischen Bevölkerung in diesen schwierigen Zeiten. Regelmäßig reist er mit Spendengeldern deutscher Mitbürger in die von der Opposition befreiten Gebiete im Norden Syriens und unterhält dort mehrere medizinische Zentren (Medical Points) in verschiedenen Dörfern.

"Die Situation in Syrien ist sehr, sehr verheerend"

In seinem Wort spricht Dr. Wahhoud zunächst über das Leid der Kinder in Syrien. Sie würden sich in Krankenwagen wiederfinden, anstatt der Schulen und Spielplätze. Dies habe man vor einigen Tagen in den Medien sehen können, in Anspielung auf das Bild des kleinen "Imran", der Blutüberströmt in einem Krankenwagen sitzt ohne zu vor Schmerz zu weinen, denn der Schock dieses Kindes sitzt tief. "Die Situation in Syrien ist sehr sehr verheerend", so Dr. Wahhoud.

Obwohl es in Syrien keine Bunker gibt, in die sich die Menschen begeben können, wende Russland mit Unterstützung aus Teheran verschiedene vernichtende Bomben an und richte damit verheerende Schäden an. "Russland setzt ihre Bomber, Kampfjets, Raketen, Mittelstreckenraketen, Streubomben, Phosphorbomben und Chemiewaffen ein."

Dr. Wahhoud sagte, die Menschen weltweit seien Zeugen eines Verbrechens, das das syrische Regime zusammen mit Russland und dem Iran ausführe und in vollem Stillschweigen der USA und der westlichen Welt.

Der Wille der Syrer sei es ein normales Leben in Freiheit zu leben ohne "Knechte" des Diktators Assad, der Mullahs in Teheran und Russland zu sein. "Syrien soll ein Zuhaus für alle Syrer sein: Kurden, Turkmenen, Araber, Muslime und Christen."

Die Weltgemeinschaft habe versagt, man könne Kindern nicht mehr erzählen es gebe einen UN- Sicherheitsrat und eine Weltgemeinschaft, denn sie würden fragen, was diese denn für sie getan haben?

Alle freien Menschen sollen sich dafür einsetzen, dass es mindestens eine Flugverbotszone über Syrien gibt, damit sich die Syrer in Sicherheit fühlen können. Obama und westliche seien nun aufgefordert ihre Rolle richtig auszuspielen, für die Menschheit.

Drei typische Symptome

Dr. Jamal Sobeh übernahm als nächster das Wort. Dr. Sobeh ist in Syrien geboren und lebt seit Jahren in Deutschland. Durch seine Arbeit als Psychologe betreut er viele traumatisierte Kriegsopfer und kennt die schreckliche psychische Lage der syrischen Kinder, vor allem durch seine Besuche in den befreiten Gebieten in Syrien. In seiner Rede verlas er drei unterschiedliche Gutachten syrischer Kinder, die durch ihre Erfahrungen posttraumatische Verhaltensweisen aufweisen.

Anschließend erzählte Dr. Sobeh über seine persönlichen Erfahrungen von Kindern und sagte, dass drei typische Symptome immer wieder auftauchten. Das erste Symptom seien die Angstzustände der Kinder. Viele dieser Kinder erwarten, dass etwas schlimmes passieren wird, sie beobachten den Himmel, selbst an sicheren Orten wie Jordanien oder der Türkei. Das zweite Symptom seien die Wutausbrüche und die schwankenden Gefühle zwischen tiefer Trauer und extremer Wut. Und das dritte Symptom seien die Schlafmängel der Kinder. Viele Kinder können nicht länger als drei Stund schlafen. Viele dieser Symptome werden diese Kinder wahrscheinlich über Jahre begleiten.

Dr. Sobeh vergleicht die Lage in Syrien mit der Lage in Deutschland zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg, als es eine Vaterlose Gesellschaft gab.

Die Kinder kennen seit Jahren keine Alltagsstruktur, was ebenfalls schwierige Folgen haben wird für die Zukunft dieser Kinder.

Die Aufnahme hundertausender Flüchtlinge sei dankenswert und mache ihn stolz in einem solchen Land zu leben, jedoch müsse man auch das Leid der Syrer in Syrien stoppen und danach arbeiten, dass die Menschen dort endlich in Frieden leben.

Die Kundgebung hatte weitere kurze Beiträge:

Dr. Nada Keilani, Kinderärztin mit syrischen Wurzeln, sprach über ihre Gefühle, als sie das Foto des kleinen "Imran" sah und wie sie seine Blicke und Reaktion wahrnahm. Allgemein sei die Lage der Kinder in Syrien unbeschreiblich. Sie forderte ein Ende dieses Leides.

Dr. Zuher Alhalabi, in Düren lebender syrischstämmiger Arzt, rief dazu auf sich mit den freien Syrern zu solidarisieren und sie dabei zu unterstützen dieses ungerechte mörderische Regime zu beseitigen, denn nur so könne ein neues Syrien errichtet werden, das die Würde der Menschen achtet.

Kevin Mlynski, deutscher Mitbürger, der mit der syrischen Lage vertraut ist, rief in einem kurzen Beitrag dazu auf, dass jeder etwas tun könne und müsse um das Leid der Menschen in Syrien zu lindern. Jeder, der will, kann etwas tun.

Zudem gab es auch Beiträge von kleinen Mädchen, die ihre Gedanken zu der syrischen Revolution vortrugen und dabei auf ihre kindliche Art versuchten die Herzen der Menschen für die Syrer zu gewinnen.

Am Ende wurden einige Lieder der syrischen Revolution gesungen und gegen 19 Uhr wurde die Kundgebung seitens der Organisatoren beendet.